Afghanische Reise
Es ist ein heißer Juniabend in Pakistan, in einem Hochhaus am Rande Islamabads: Das kleine Wohnzimmer ist mit Decken ausgelegt, der Ventilator arbeitet unermüdlich gegen die Hitze. Ich sitze mit einer elfköpfigen Familie aus Afghanistan im Halbkreis und bespreche noch einmal Chancen und Risiken. Es sind unsere langjährigen Kooperationspartner, die wir beim Aufbau des Spaltprojektes in Afghanistan unterstützten konnten. Wir kennen uns seit über 12 Jahren, doch jetzt geht es um Entscheidungen, deren Folgen keiner überblicken kann: ihr Weg aus dem pakistanischen Exil.
Mit dem Ende des internationalen Militäreinsatzes und der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 endete auch die Phase eines unvollständigen Friedens in Afghanistan. Unzählige Menschen verließen seither aus Angst vor Verfolgung oder auf der Suche nach einer besseren Perspektive das Land. Unsere Familie gehört zu der ethnischen Minderheit der schiitischen Hazara, die von den Taliban als Ungläubige angesehen werden und besonders gefährdet sind.
Ich hatte sie bei dem Aufbau eines Netzwerkes für Spaltchirurgen in Afghanistan begleitet, und sie haben wertvolle Hilfe für Kinder mit Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten geleistet. Jetzt stehen sie vor dem Nichts, sitzen seit einem Jahr mit geduldetem Aufenthalt in Pakistan auf gepackten Koffern und wollen einfach ihr Leben fortsetzen, die Kinder wieder in die Schule schicken und eine Perspektive haben. Menschen wie sie gibt es gegenwärtig zu Tausenden in Pakistan. Oftmals sind es Personen mit guter Ausbildung, die sich mit den neuen Machthabern in Afghanistan nicht abfinden können oder durch sie gefährdet sind. Sie leben in mehrstöckigen Häusern am Rande Islamabads, sind über WhatsApp-Gruppen gut vernetzt und geben sich gegenseitig Hinweise. Manchmal zieht von heute auf morgen eine Familie aus – irgendwohin.
Obwohl die Familie mit drei Ärztinnen exzellent ausgebildet ist, gab es keine Chance auf eine Aufnahme in Deutschland. Als Alternative konnte mit einiger Unterstützung ihre humanitäre Aufnahme in Brasilien vorbereitet werden. Und so besprechen wir an diesem heißen Juniabend sämtliche Ungewissheiten – was es bedeutet, seinen Kulturraum zu verlassen, ohne jede Chance auf Rückkehr und ohne staatliche Unterstützung ein neues Leben zu beginnen. Bereits jetzt leben am Flughafen in Sao Paulo unzählige Afghanen, die es nicht geschafft haben. Doch es ist auch für diese Familie die einzige Chance.
Zurück in Deutschland: Per WhatsApp erhalte ich zwei Wochen später ein Bild der Familie. Sie stehen in ihrer traditionellen afghanischen Kleidung an irgendeinem Strand in Brasilien. Es sind Kulturen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es ist eine von zahlreichen unerwarteten Fortsetzungen von Roger Willemsens viel gelesener „Afghanischer Reise“. Ich versuche die Familie durch ein Netzwerk brasilianischer Freunde und Helfer bei der Integration zu begleiten. Es ist kein einfacher Weg.
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